Monk´s House - sensible Geschichten
Nicht weit von dem hübschen Städtchen Lewes gelegen, befindet sich das aus dem 18. Jahrhundert stammende Cottage der Schriftstellerin Virginia Woolf. Der Ort Rodmell ist eine Augenweide. Nicht nur das Haus der Schriftstellerin besticht durch Aufgeräumtheit und unzählige Betreuer. Auch der malerische Ort selbst hat sich für den Gast fein gemacht. Man empfängt uns mit schmucker Deko vor den Häusern. Kein Neubau stört das Gesamtbild. Alles wirkt wohlsituiert und einladend. Die Gärten sind allesamt schön. An der Straße steht eine historische Gastwirtschaft, die wahrlich lebt. Man wird von freundlichen Rentnern, die eine deutsche Geschichte erzählen wollen und können, angesprochen. Alles ist freundlich. Der Pfarrer fährt mit dickem Mercedes gemächlich dahin. Man hat ein gutes Gefühl.
Sogar die Winde am Parkplatz und nahebei der Acker mit seinen für East Sussex typischen Hecken lacht uns einen freundlichen Aufenthalt entgegen, solange Monk´s Haus noch verschlossen bleibt. (Die Öffnungszeiten sollte man sich vorher besorgen...) Da hat man eine alte Remise oder Garage umgebaut zum kleinen Einlass-Shop für diesen besonderen Ort.
Besonders? Naja, es gibt sicher vielzählige Cottages, die ähnlich sauber und ordentlich heute noch Besucher emfangen könnten. Aber hier lebt er noch, der Geist der herausragenden Künstlerin.
Ich war fasziniert durch einen Artikel, schön bebildert, über Frau Woolfs Haus in irgendeinem Gartenjournal vor langer Zeit. Nun war ich hier in dieser Gegend. Und weil ich neugierig war, machten wir also den Abstecher dort hin.
Gesehen hatte ich diese beeindruckende Büste von dieser besonderen Frau auf jenen Bildern. So ein Porträt wollte ich auch einmal schaffen. Mehr wußte ich nicht.
Und so versuchte man mich kopfschüttelnd aufzuklären.
Wie kann man ein Haus besuchen, das Haus einer berühmten Schriftstellerin besuchen, und nicht wissen, wer sie war, was sie schrieb und wie sie zu Tode kam.
Dann dazu kein Englisch beherrschen und radebrecherisch erklären, das das alles die Wahrheit ist!!!
Am stärksten schüttelten ein Deutscher mit typischer Lockenfrisur und seine unscheinbare Begleiterin die Köpfe. Wollten Sie sich für mich schämen?
Die englischen Hausbetreuer hingegen waren bemüht, mir die Krankheit ihrer geliebten Angebeteten verständlich zu machen, ihr Schaffen und ihre verwandschaftlichen Verhältnisse, das Leben ihrer Zeit und ihre Kinderlosigkeit, das Arbeitszimmer und die Liebe zum Gärtnern und Boulen zu erklären. Weiterhin verstand ich, dass es viele Menschen ringsherum um die sensible Frau gegeben haben muss, die sie als oberflächlich empfand. Und das kann man mir sicher nicht vorwerfen. Mal abgesehen davon, dass ich überhebliches Nasenrümpfen eher auslache als mir zu Herzen zu nehmen, habe ich heute, als ich mich durch das Werk der damals wohl modernsten Frau kämpfte, bemerkt, dass es auch immernoch Parallelen gibt. Mit Mrs. Dalloway charakterisiert Virginia Woolf eine Frau, die autobiografische Züge aufweist. Und seien es weder die Zeit noch der Ort noch gesellschaftliche oder sonst irgendwie geartete Umstände, so fühle ich mich doch in manchen Zügen sehr sehr persönlich porträtiert. Sehr sehr persönlich ...
Vor allem war sie sich offensichtlich selbst nicht genug. Ihr eigener Anspruch machte ihr das Leben schwer.
Melancholie, Depression, Selbstzweifel. Dabei war ihr eine Wortgewalt eigen, ein aktiver Wortschatz, der nur wenigen Menschen zur Verfügung steht, eine Modernität, die durch geistige Freiheit und behütetes , aber gefördertes und kreatives Aufgewachsensein ohnen finanzielle Sorgen entstand.
Virginia Wollf war gerade ein rechter Kerl.
Nur dass sie eine zarte, sensible Frau war und dann auch noch nicht mehr ganz jung...
Dass die beiden Bücher, die ich las, von Männern übersetzt wurden, ist da nicht gerade hilfreich. Sie wurde zeitlebens nicht verstanden. Warum sollten wir es heute und warum sollten es heute gerade männliche Übersetzer tun? Mrs Dalloways Übersetzer liegt meiner Sprache eher. Bei Jacobs Zimmer hatte ich so meine liebe Not, die Zusammenhänge zu ergründen. War das ja auch noch die Neuheit der Schreibweise dieser beeindruckenden Frau... Gesellschaftsporträt mit offenem Ausgang - all das transportiert über Gefühl und Andeutung - wer findet den Zugang heute noch inmitten von Big Brother und Take me out...?
Und so darf ich nicht verwundert sein, dass derartige Weltliteratur in der Welt unserer Bibliothek nicht mehr zu finden ist, jedoch dort im Regal bei W ein großes Loch prangt und diese Buchausgaben sich der Gesellschaft von Christa Wolf wenn nicht angemessen so doch durchaus recht benachbart gefühlt hätten. Es stand aber dort Barbara Wood, die ich auch noch nicht gelesen habe. Muss ich? Sollte ich?
Virginia Wollf hatte einen Hang zum Grünen. Die Arbeit im Garten hat sie aufgebaut. Wahrscheinlich kamen auch ihr die Ideen zu Texten, während sie die Hände in der Erde vergrub. Grün war aber auch die Farbe ihrer Wohnstube. Bilder hängen dort, anmutig dekoriert, die damals gar noch nicht dort waren. Aber heute erscheint alles so, als wäre sie kurz nach draußen gegangen.
Der Sessel scheint noch warm vom Sitzen. Die Lampe strahlt in eine ferne Zeit.
Hinterm Garten grenzt der Kirchhof. Morbide Nachbarschaft für ein zu sanftes Gemüt. Im Gartenzimmer hatte sie auch geschrieben. Und ihr eigenes Zimmer im Haus war ihr Refugium. Dort steht noch heute ihre Büchersammlung. Und manchmal möchte ich zurück in diese Zeit, möchte meinen Kindern all diese Bücher ermöglichen, all die Phantasie und selbsterdachten Geschichten - keine Spielfiguren mit
In diesem Haus fand ich Stille. Sie war still. Und das regte mich an, mehr von ihr erfahren zu wollen. Virginia Woolf versuchte den Menschen einzufangen, den wahren Charakter eines solchen. Dabei war sie zu Hause in einem Zuhause, welches ich jederzeit beziehen würde. Ihr Grün war so frisch und so unkonventionell, dass es heute noch besonders ist.
Arts and Crafts überall. Auch Gemälde, die schon zum Haus gehörten, bevor es das Verlegerehepaar besaß, hängen heute dort. Und die volkstümlichen Keramiken erfreuen den Feng Shui-Kenner.
Virginia Woolf hatte mit 59 Jahren entschieden, alles geschrieben, alles gelebt zu haben.
Über den nahegelegenen Fluss wollten wir - unwissend noch - fahren. Es gelang uns nicht, die Überfahrt war nur Ackerfahrzeugen erlaubt.
Diese unglaubliche Büste hatte mich schon in den unbedarften Bildern eines Gartenjournals neugierig gemacht. Derartig einen Menschen einzufangen, begeistert mich heute noch mehr.
Aber dankbar bin ich, dass ich sie gelesen habe und noch werde. Ich habe meinen Horizont erweitert.
Tut das auch! Monk´s House ist einen Ausflug wert, East Sussex sowieso und auch diese Literatur.
Es gibt so viel anderes und besseres als uns - vor allem unseren Kindern - heute vorgesetzt wird.
Nicht leicht zu lesen und trotz all dem eindrucksvoll für eine Leben lang. Will heißen - ich werde Jacob und sein Zimmer nie vergessen. Und irgendwie habe ich verstanden, warum sie ging...
Voller guter Gefühle, mit Facebook-Bekanntschaften und Fotos eines gemütlchen Heims in einem anheimelnden Cottage ging ich hinaus... Euer HomeWhite
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